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Nichts da Game Over: Frauen auf Twitch

Die Medienbranche gilt als der Wirtschaftszweig, der am meisten daran interessiert ist, stets am Zahn der Zeit zu sein, aber ist das wirklich so? Wenn man auf die Geschlechterverteilung schaut, so hat die Medienbranche ein großes Problem: Die Geschlechter sind alles andere als gleichmäßig verteilt. Dabei ist es die ureigenste Aufgabe von Medienschaffenden, die Gesellschaft in ihrem aktuellen Zustand möglichst genau abzubilden, aber diese Aufgabe scheitert anscheinend an der fehlenden Repräsentation weiblich gelesener Personen. In den “klassischen” Leitmedien wie Fernsehen und Zeitungen ist es seit jeher Gang und Gebe, dass Männer in den Chefetagen sitzen und maßgeblich die Ausrichtung des Programms gestalten. Aber wie sieht dies auf Plattformen aus, wo Content Creator ihre Inhalte in Eigenregie gestalten? Livestream-Plattformen wie Amazons Twitch sind die große Neuerung der Medienbranche des letzten Jahrzehnts und bieten ihren Creator eine Freiheit, die bis dato nicht denkbar war. 

War die Plattform eigentlich lediglich zum streamen von Videospielen gedacht, entwickelte sie sich mit wachsender Beliebtheit zu einem Sammelbecken aller möglichen Interessenfelder. Mit dem Wissen um diesen Umstand beleuchten wir heute genauer, inwieweit Frauen vom Riesenerfolg von Twitch profitieren und die Plattform mitprägen.

Gesichter einer neuen Generation

Streamerinnen sind weit mehr als bloße Content Creator auf Twitch, sondern die Idole vieler in der relevanten Zielgruppe zwischen 16 und 35 Jahren.  AnniTheDuck, RevedTV ,Andi686 oder Jessirocks sind den meisten Twitch-Usern in der DACH-Region ein Begriff, denn sie alle stehen weit oben im Ranking der Kanäle mit den meisten Abonnenten. Bis zu 900.000 Follower können sie teils nur auf Twitch ihr Eigen nennen und haben damit eine enorme Präsenz und Reichweite auf der Plattform und prägen so eine ganze Generation. Dabei haben sie es schwerer als ihre männlich gelesenen Kollegen, da diese die absolute Mehrheit der Twitch User ausmachen. Lediglich ein Drittel aller Nutzer der Plattform identifiziert sich als weiblich. Auf das Programm hat diese Verteilung allerdings keine große Auswirkungen, da sich weibliche Streamerinnen ebenso an aktuellen Trends und Entwicklungen der Plattform orientieren müssen wie ihre Kollegen. So sind Trendspiele wie Fall Guys oder Among Us viel auf weiblichen wie auch männlichen Twitch-Channels zu sehen.

Wichtige Identifikationsfiguren

Gerade in der relevanten Zielgruppe zählen Influencer, zu denen die Streamer ebenso gehören, zu den wichtigsten Vorbildern und sind daher nicht nur für die User selbst wichtig, sondern auch für Werbetreibende, die nur zu gerne Kampagnen mit Influencern durchführen. In regelmäßigen Abständen finden neue Produkte oder Dienstleistungen ihren Weg auf den Markt und können in der besonders werbe- und technikaffinen Twitch-Bubble großen Anklang finden. Aber auch abseits bloßer Produktpromotion kann Twitch mit seinen Streamerinnen großes bewegen, was sich vor allem durch und während der Corona-Pandemie verstärkt hat. Während der Pandemie hat sich Twitch von einer bloßen Streaming Plattform zu einer Plattform für Online-Events aller Art gewandelt. Die Zahl der weiblichen Top-Streamerinnen wächst jetzt, was zum Teil auf die veränderten Vorlieben auf der Plattform zurückzuführen ist. Im dritten Quartal des vergangenen Jahres hat ein relativ neues Genre von Livestreaming-Videos, das als „Just Chatting“ bekannt ist – im Wesentlichen Live-Videotagebücher -, spielbezogene Inhalte in den Schatten gestellt und sich zur beliebtesten Kategorie auf Twitch entwickelt. Im ersten Quartal 2021 machten „Just-Chatting“-Videos 12 % aller auf Twitch angesehenen Inhalte aus, so der Tracker Streamlabs. So kann man heute neben den gewohnten Streams der neusten Games oder IRL (in real life) Content auch immer wieder besondere Events verfolgen. Den Aufschlag dazu machte wohl Knossi, der 2020 mit seinem “AngelCamp” den deutschen Twitch-Zuschauerrekord knackte.

Ein weiter Weg zur Anerkennung

Heute ist es normal, dass auch weibliche Streamerinnen Stars auf Twitch sein können, aber bis dahin war es ein langer und mehr als beschwerlicher Kampf um Akzeptanz und Anerkennung. Denn leider macht der Großteil der Streamerinnen negative Erfahrungen aufgrund sexualisierter Anfeindungen und Vorurteilen.  Ein Blick auf den US-amerikanischen Markt zeigt, welche Auswüchse dies erreichen kann. In einem Podcast des US-Streamers “TrashTaste” spricht die Streamerin Pokimane, die erfolgreichste Streamerin der Welt mit 9,2 Millionen Followern, über ihren Weg auf Twitch und offenbart dabei welche persönlichen Anfeindungen sie über Jahre hingenommen hat. Ihr Fazit ist, dass Twitch heute eine Plattform ist, die deutlich diverser aufgestellt ist als in den Anfangsjahren und die aktiv ihre weiblichen Creator unterstützt. Das zeigt sich vor allem in den aktualisierten Nutzungsbedingungen der Plattform, die dedizierte Paragraphen zum Schutz weiblich gelesener Personen enthalten und einem Contentmanagementsystem, das sexualisierte Gewalt in jedweder Form streng bestraft.

Women’s Day wird zu Women’s Year

Längst hat auch Twitch verstanden, welche enormen Potenziale in der Förderung weiblicher Talente liegen und deswegen 2021 den “BroadcastHER Grant” sowie die “Twitch Women’s Alliance” ins Leben gerufen. Die Programme widmen sich der Unterstützung von Streamern, die sich als Frauen identifizieren, in allen Phasen des Lebenszyklus bei Twitch. Mit dem Schwerpunkt auf kurz- und langfristigen Strategien zielt die Twitch Women’s Alliance darauf ab, die Twitch-Community zu stärken und alle weiblichen Streamer zu unterstützen und zu fördern.

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